Montag, 10. November 2014

Lustwandel an der Donau


Der Sonntagsspaziergang (Carl Spitzweg)

Von der frühgeschichtlichen Notwendigkeit des Zufußgehens, aus Mangel an Alternativen, hatten die Leute eigentlich schnell die Nase voll.Doch während die armen Schlucker auch im späten Mittelalter noch durch den städtischen Kotschlamm waten mussten, fanden die Aristokraten wieder Gefallen am Lustwandel durch barocke Schloßparks. Im Zuge der Aufklärung begann schließlich auch die breite Maße zu flanieren und zu promenieren um körperliche Bewegung, frische Luft und Sonne zu genießen sowie vor allem, um soziale Kontakte zu knüpfen.So entstanden bald öffentliche Parks und Promenaden, zuerst in Kurorten und touristisch bedeutenden Orten, später fast überall wo man sich vom Boom des Spazierengehens anstecken ließ.
Das Flanieren wurde abgelöst vom Konsumieren

Ein besonders „ansteckender“ Zeitgenosse und leidenschaftlicher Spaziergänger war übrigens Goethe („Ich ging im Walde so vor mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn“).Bekanntlich trifftsein Faust ausgerechnet beim Osterspaziergang auf den Teufel Mephisto in Gestalt eines seltsamen schwarzen Pudels.Goethes literarische Erben führen diese Tradition fort. In vielen Klassiker der Weltliteratur wird auf Teufel komm raus gelustwandelt. In den Werken von Jane Austen, Dostojewski und vor allem Laclos „Gefährlichen Liebschaften“ bilden Promenaden und einsame Schloßgärten die Kulisse für perfide Intrigen, ausschweifende Liebesschwüre und sogar Revolutionen. Inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dann mehr marschiert als flaniert. Spätestens seit der Nachkriegszeit eroberten jedoch die Autos den freigewordenen Platz in vielen deutschen Innenstädten und in den Köpfen der Leute.Heute fährt die Mehrheit mit dem Auto raus in die Natur um spazieren zu gehen.Das Flanieren wurde außerdem abgelöst vom Konsumieren. Kaufhäuser und Einkaufszentren wurden die neuen Parks („Westpark?“). Der Begriff Fußgängerzone zeigt den Niedergang der Promenaden und Flaniermeilen am besten. Zonen erinnern doch eher an Todesstreifen und kündigen verkehrstechnisch kritische Bereiche an, nach dem Motto: „Achtung, hier könnte ein dreister Fußgänger Ihre schöne Autofahrt stören!“ Ein Stadtpark, das ist für viele inzwischen„da wo die Türken grillen“, und ohne öffentliche Sitzbänke müsste man sich weniger über die Obdachlosen ärgern! Was ist bloß schiefgelaufen und wie lange dauert es noch bis alle Stadtbewohner am Kaspar-Hauser-Syndrom (Verhaltensstörung durch völligen Reizentzug) leiden, man kennt das z.B. von eingesperrten Tieren im Zoo, die mit starrem Blick im Kreis laufen und dabei ununterbrochen mit dem Kopf wackeln.Bei einigen genervten Autofahrern kann man das Kopfwackeln schon beobachten!

Achtung, hier könnte ein dreister Fußgänger Ihre schöne Autofahrt stören!

Es gibt Hoffnung. Dermoderne Urbanismus kennt eigene Wissenschaften wie die Promenadologie(Strollology) und propagiert die Rückkehr von Rundwegen(Loops) und Spaziergängen als Forum für Kontaktaufnahme, Umweltwahrnehmung und bewusste Entschleunigung. Einer der ältesten Gründe für einen Spaziergang im Freien wird heute wichtiger denn je.Es ist die Möglichkeit, mit jemandem ein intimes Gespräch zu führen ohne gestört oder gar belauscht zu werden.Die Lust am Lustwandel kommt zurück.

Für Ingolstadt besteht die historische Chance zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und Wiederbelebung der vernachlässigten Innenstadt. Mit einem Naherholungsgebiet an der Donau und dem konsequente nAusbau von Fuß-/Fahrradwegen sowie durchgängigen Promenaden im städtischen Raum entsteht Attraktivität für Anwohner und Besucher. Gute Vorschläge z.B. die Verkehrsberuhigung rund um das Münster, die Neugestaltung der Harderstraße, ein Skulpturenpark an der Tränktorstraße oder die Umgestaltung der Schloßlände zur besseren Verbindung zwischen Stadt und Fluß gibt es ja inzwischen.

Der Donau-Loop ist Naherholung im Zentrum

Gerade die Donau hat das Potenzial unser Lebensumfeld in Ingolstadt positiv zu verändern und der Stadt mehr Identität zu verleihen. 2011 wurde aus vielen Einzelideen und Wünschen zur Belebung des Donauraumes das Konzept des Stadtparks Donau geboren. Beauftragt durch die Stadt Ingolstadt, entwickelt von OFICINAA und unterstützt durch die Freunde der Donau. Dabei handelt es sich um die Verbindung aller bestehenden Parks und Uferauen an der Donau, mit dem Ziel ein Naherholungsgebiet im Zentrum der Stadt zu schaffen (Beispiel Englischer Garten München).Der Donau-Loop ist ein erster Baustein hierfür und beinhaltet ein System zusammenhängender Rund- und Spazierwege entlang der Donau. Zentral gelegen und für nahezu alle Ingolstädter zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar, verbindet der Donau-Loop die angrenzenden Stadtviertel. Die einheitliche Farbgebung und Gestaltung des Weges sollen für Wiedererkennung sorgen. Neben dem unschätzbaren Wert für die Ingolstädter soll der Donau-Loop auch die ca. 50.000 Donauradwanderer, die jährlich durch unsere Stadt radeln, für Ingolstadt begeistern und für einen Besuch der Altstadt gewinnen.

Die Gestaltungsideen konnten die Ingolstädter bereits im Rahmen einer Ausstellung im Museum für konkrete Kunst (MKK) besichtigen. Die Detailplanung und Entscheidung durch den Stadtrat stehen für 2015 an.

Wir freuen uns jedenfalls auf die Wiederentdeckung des Spazierengehens. Egal ob nach alter Sitte, in tadelloser Sonntagskleidung mit möglichst vollzähliger Familie, oder einfach um uns frei nach Goethe unsere schwarzen Pudel auszuführen.


Donau-Loop Ausstellung (A. Häusler OFICINAA)
 Donau-Loop Ausstellung (A. Häusler OFICINAA)
Donau-Loop Ausstellung (A. Häusler OFICINAA)
Donau-Loop Ausstellung (A. Häusler OFICINAA)

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